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„Ich möchte die Spiele genießen“

Timo Boll spricht über seine letzte Saison

Foto: Kenny Beele

von Tobias Kemberg

Für den 43-Jährigen und seinen Verein Borussia Düsseldorf beginnt mit dem Heimspiel am Sonntag gegen Grünwettersbach in der Tischtennis-Bundesliga die Saison 2024/25. Und diese ist so viel mehr als nur irgendeine Saison – es wird die letzte für Boll und die letzte für Borussia mit ihrem Superstar sein. Im Interview spricht der Rekordeuropameister über Rückblicke, Emotionen und welche Erwartungen er an seine Abschiedstournee hat.

Herr Boll, sind Sie nach den Olympischen Spielen und dem damit verbundenen Ende der internationalen Karriere vielleicht sogar ein Stück weit froh, dass dieser Teil jetzt hinter Ihnen liegt?

Timo Boll: Auf der einen Seite bin ich tatsächlich froh, weil die vergangenen eineinhalb Jahre auch wirklich brutal hart waren. Sich von einer Verletzung zurück zu kämpfen und schmerzfrei zu werden, das war schon anstrengend. Was ich alleine an Physiotherapie und Arztterminen hinter mir habe – teilweise richtig schmerzhafte Behandlungen -, das war schon eine Quälerei. Als ich wieder fit war, ist es dann ein großer Kampf gewesen, um spielerisch wieder in Form zu kommen. Nach der Olympia-Nominierung gab es auch noch einmal eine schwere Phase. Weil ich das Gefühl hatte, dass ich dieser Nominierung entsprechen und für Olympia die Intensität noch mal hochsetzen wollte. Es hat Spaß gemacht, aber es war auch immer viel Druck in mir. Es waren definitiv anspruchsvolle 18 Monate. Der Abschied von der internationalen Bühne war einerseits sportlich enttäuschend, andererseits kamen sehr viele Gefühle auf. Ich bin froh, dass es jetzt wieder etwas ruhiger geworden ist.

Haben Sie sich in den vergangenen Wochen mal hingesetzt und ein wenig reflektiert? Oder ist dieser Zeitpunkt noch nicht gekommen?

Boll: Für einen kompletten Rückblick auf die Karriere ist jetzt noch nicht der richtige Zeitpunkt. So etwas habe ich in all den Jahren noch nie gemacht, weil ich immer nach vorne geschaut habe. Ich bin gespannt, wenn nach der Saison der endgültige Abschied kommt, ob ich dann mal durch die Ordner gehe und mich an bestimmte Spiele erinnere. Im Moment ist das aber noch kein Thema und einen Tick zu früh, denn ich fokussiere mich voll auf meine letzte Saison mit Borussia.

Und in dieser wird es – ähnlich wie in Paris – immer wieder diese Momente des letzten Males geben. Haben Sie Respekt vor diesen Momenten?

Boll: Ja, das habe ich. Die vergangenen Monate hat es mich einige Male emotional zerrissen. In China schon, in Paris einige Male und es ist dann schon hart, wenn diese Gefühle hochkommen. Es ist mir ein bisschen unangenehm, diese Gefühle in der Öffentlichkeit zu zeigen. Von daher wird es auf der einen Seite bestimmt anstrengend, aber wenn man dann später zurückschaut, dann wird es sicherlich auch schön sein, diese Emotionen erlebt zu haben.

Foto: Kenny Beele

Jetzt steht aber noch die finale Saison mit der Borussia an. Freuen Sie sich noch einmal auf die Herausforderungen? Viele Teams haben ja personell richtig aufgerüstet und werden es der Borussia nicht leicht machen. . .

Boll: Ich habe es mehr gemocht, als ich noch wusste, dass ich die Stärke habe, die Spiele selbst zu entscheiden. Mittlerweile weiß ich, dass wenn die anderen Jungs gut spielen, sie inzwischen besser sind als ich. Das ist kein angenehmes Gefühl als Sportler, der fast über die gesamte Karriere Top-Fünf oder Top-Zehn in der Weltrangliste war. Damit muss man sich auch erst mal arrangieren. Aber das was noch in mir drin ist, das werde ich investieren und am Ende schauen wir, wofür es für uns reichen wird. Ich habe Mitspieler im Team, die selbst viel Verantwortung übernehmen und mir damit auch ein Stück vom Druck nehmen.

Was verändert sich denn für Sie in den Abläufen und in der Herangehensweise?

Boll: Mein Plan ist, dass ich nicht zu verbissen in die Saison gehe. Ich gehe es natürlich auch nicht zu locker an. Aber ich möchte die Spiele genießen und noch mal Spaß am Tisch haben. Doch ich kenne auch meinen eigenen Ehrgeiz und Anspruch, der dann Überhand nimmt. Und deshalb höre ich nach dieser Saison auf. Ich könnte noch zwei, drei Jahre weiterspielen. Aber auf was für einem Niveau? Das möchte ich so nicht mehr, weil ich gemerkt habe, dass viele Spiele, die in der jüngeren Vergangenheit nicht so liefen, mir einfach zu wenig Spaß gemacht haben. Jetzt gilt es, den eigenen Anspruch vielleicht ein bisschen hinten anzustellen und alles trotzdem zu genießen.

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